Kurzentspannung im Alltag

In meinen letzten Beiträgen ging ich auf physisch-psychische Auswirkungen von Stress, sowie grundlegende Erkennungsmöglichkeiten der eigenen Verfassung ein. Durch regelmäßige Entspannungs-, oder Meditationstechniken regeneriert sich unser Nervensystem sehr schnell. Idealerweise nimmt man diesen Zustand der Ruhe und Gelassenheit in den Alltag mit. Allerdings bedarf dies sehr vieler Übung. Unser Neocortex hat die Aufgabe, Geschehnisse der äußeren Welt mit Sinn und Bedeutung zu versehen. Bei adäquaten äußeren Einflüssen befinden wir uns im Beta- Gehirnwellenbereich. Wir nehmen die Geschehnisse wahr und unsere Gehirnwellen werden je nach Intensität der Ereignisse schneller, um diese zu verarbeiten. Um Eindrücke aber nicht als Belastung zu interpretieren, müssen wir etwas Zeit haben, sie mit Sinn und Bedeutung zu integrieren. Diese Integration erfolgt im Alpha- Gehirnwellenbereich. Das sind jene Momente, in denen wir kurz unaufmerksam sind, vielleicht ins „Narrenkastl“ schauen oder ein wenig „tagträumen“. Phasen, in denen keine neuen Eindrücke auf unser Gehirn einströmen, wir nichts Neues von außen aufnehmen müssen. In diesem Zustand organisiert sich unser Gehirn, unsere Gehirnzentren verbinden sich und arbeiten kohärent. Demnach sendet unser Gehirn auch kohärente Signale an unser Rückenmark, unser Immunsystem, an das Herz und an unser Herz-Kreislauf-System. Im Stresszustand sind diese Signale asynchron, weil die einzelnen Gehirnzentren nicht mehr vernetzt arbeiten, sondern jedes einzeln für sich, somit entstehen für den Körper unverständliche Botschaften. Es reichen wenige Minuten gezielter Fokussierung aus, um diesen Stresszustand zu unterbrechen.

Deshalb möchte ich Ihnen nun drei einfach umzusetzende Mentaltechniken vorstellen, die Ihnen in kürzester Zeit zu etwas Regeneration verhelfen können. Um möglichst viele äußere Reize auszuschalten, ist es ratsam, die Augen zu schließen. Wenn das mit den Bedingungen Ihrer Umgebung nicht vereinbar ist, lassen Sie Ihre Augen zwar offen, versuchen dabei aber möglichst wenig bewusst wahrzunehmen. In beiden Fällen fokussieren Sie zu Beginn einen Punkt etwas oberhalb Ihrer Augen und zählen ohne mit den Augenlidern zu blinzeln von drei abwärts. Bei Null schließen Sie nun entweder Ihre Augen, oder Sie „verschleiern“ Ihren Blick. In diesem Zustand führen Sie eine der Entspannungstechniken aus. Danach sollten Sie sich unbedingt wieder bewusst zurückholen, indem Sie wie zu Beginn von drei abwärts zählen. Wenn Sie bei Null angelangt sind, kehren Sie mit frischer Energie in den Alltag zurück.

1. Atemfokussierung

Atmen Sie durch die Nase bewusst alle vorhandene Luft aus, pressen Sie wirklich den letzten Rest Luft aus Ihren Lungen aus, solange bis Sie glauben fast zu ersticken und lassen Sie dann Ihren autonomen Atemreflex die Einatmung übernehmen. Stellen Sie sich bei der Ausatmung vor, alle Anspannung auszuatmen. Überlassen Sie sich dann völlig Ihrem Zwerchfellreflex. Geben Sie sich der Einatmung hin, und lassen dabei alles los. Atmen Sie auf keinen Fall aktiv ein. Zählen Sie die Sekunden der aktiven Ausatmung. Sie sollte mindestens doppelt so lange wie die autonome Einatmung sein. Fokussieren Sie sich auf diese Atmung mindestens sieben Atemzüge. Zählen Sie dabei von sieben abwärts. Wenn Sie bei Null angelangt sind, atmen Sie bequem ein und halten den Atem so lange an, wie es für Sie möglich ist. Nehmen Sie dabei wahr, wie Ihr Körper und Geist ruhig und entspannt werden. Wiederholen Sie diese Übung bis Sie das Gefühl von Ruhe und Klarheit empfinden.

2. Ausdehnung

Führen Sie Ihre Aufmerksamkeit zu Ihrem Brustkorb, und nehmen Sie die Mitte Ihres Brustbeines bewusst wahr. Stellen Sie sich vor, dass sich Ihr gesamter Brustkorb von dort ausgehend in alle 6 Raumrichtungen ausdehnt. Das bedeutet nach vorne/hinten, oben/unten, rechts/links. Mit jedem Atemzug dehnt sich Ihr Brustkorb weiter in den Raum aus. Nehmen Sie nun auch den Raum um sich herum wahr. Fühlen Sie den Raum den Ihr Brustkorb im Raum um Sie herum einnimmt. Gehen Sie nun in Ihrer Vorstellung noch weiter, und nehmen den Raum außerhalb des Raumes wahr. Also außerhalb der vier Wände in denen Sie sich möglicherweise befinden. Spüren Sie wie mit jedem Atemzug die Ausdehnung Ihres Brustkorbes immer weitere Distanzen erfährt. Ihr Brustkorb und Ihr Herz werden zunehmend leichter, entspannter und gelöster. Führen Sie diese Visualisierung so lange aus, bis Sie das Gefühl von Weite, Leichtigkeit und Freude erfahren. Jedoch mindestens sieben Atemzüge. Beenden Sie diese Übung entweder, indem Sie Ihren Brustkorb so ausgedehnt belassen oder indem Sie mit wenigen Atemzügen diese Ausdehnung zurücknehmen, bis sie in der Mitte Ihres Brustbeines als winziger Punkt angekommen ist. Bewahren Sie diesen winzigen Punkt als Erinnerung bzw. Quelle Ihrer Entspannungserfahrung. Sie können sich untertags auch öfter nur auf diesen Punkt konzentrieren, und so die abgespeicherte Entspannungserfahrung in Erinnerung rufen.

3. Kopfreise

Spüren Sie den Bereich zwischen Ihren Augenbrauen und wandern mit Ihrer Wahrnehmung auf dieser Höhe direkt nach innen, in die Mitte Ihres Gehirns zum limbischen System. Als Orientierung dient der Kreuzungspunkt zwischen beiden Ohren auf der Höhe der Augen bzw. Nasenwurzel. Versuchen Sie mit der Kraft Ihrer Vorstellung an diesem Ort Durchblutung und Wärme zu erzeugen. Indem Sie sich auf diese Stelle konzentrieren, erhöht sich automatisch die Durchblutung, da diese Hirnareale vermehrt arbeiten. Stellen Sie sich vor, wie sich Ihr Gehirn dabei nährt, reorganisiert und erholt. Bleiben Sie solange an dieser Stelle, bis Sie ein leichtes Kribbeln, ein angenehmes Pulsieren oder eine Ausdehnung wahrnehmen. Mindestens jedoch wieder sieben Atemzüge. Zum Beenden kehren Sie wieder zur Ausgangsstelle zwischen Ihren Augenbrauen zurück.

Ich hoffe sehr, dass Ihnen eine dieser alltagstauglichen Kurzversionen zusagt. Wenn nicht – keine Sorge – es gibt noch unendlich viele weitere kreative Techniken, die ich Ihnen gerne auch im Rahmen der Therapie vorstelle bzw. an Ihre Persönlichkeit anpasse. In der Zwischenzeit wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Freude bei Ihrer Übung!